Heute prüfen wir eine innovative Entnahmestrategie, die bestens in das gegenwärtige Marktumfeld passt. Die Strategie heißt „Inflations-Cap“ und gehört zu der Familie der Flexibilitätsstrategien. Flexibilitätsstrategien helfen in spezifischen Risiko-Situationen die Entnahmen optimal anzupassen.
Klassische Flexibilitätsstrategien passen die Höhe der Entnahmen einfach an die Entwicklung der Aktienkurse an. Kommt es zu einem Crash an den Kapitalmärkten, wird in der Konsequenz die Höhe der Entnahmen reduziert. Wer bereit ist den Gürtel in schwierigen Zeiten enger zu schnallen, kann sich in Zeiten positiver Kursentwicklung deutlich höhere Entnahmen gönnen. Welchen Effekt derartige Flexibilitätsstrategien auf die Höhe der Entnahmen haben können, habe ich in diesem Artikel dargestellt.
Darüber hinaus wird bei vielen Entnahmestrategien die Höhe der Entnahmen im Zeitablauf auch an die Entwicklung der Inflation angepasst. So soll die Kaufkraft der Entnahmen im Zeitablauf stabil bleibt. Diese Vorgehensweise birgt aber auch Risiken. Und genau in diesen Fällen kommt der Inflations-Cap erfolgreich zum Einsatz.
Wann kann eine pauschale Anpassung der Entnahmen an die Inflation gefährlich werden?
Bevor wir uns die genaue Funktionsweise des Inflations-Cap in der Praxis und die sich daraus ergebenden positiven Effekte auf die Entnahmerate ansehen, gehen wir zunächst noch einmal kurz auf das für die Entnahmeplanung zentrale Renditereihenfolgerisiko ein. Denn wir werden sehen: Inflationsanpassungen verursachen ein zusätzliches Renditereihenfolgerisiko. Konkret geht es darum diese Fakten zu beachten:
1. Unterliegt ein Portfolio Wertschwankungen, und wird von diesem Portfolio regelmäßig ein gewisser Betrag entnommen, dann wird das berühmt berüchtigte Renditereihenfolgerisiko relevant.
2. Wird das Risiko schlagend, dann steigen die Entnahmen in Relation zum Depotwert plötzlich deutlich an, und das Portfolio wird dementsprechend schneller entspart.
3. Vor allem geht es um das Risiko unmittelbar zu Beginn der Entnahmephase einen starken Kurseinbruch zu erfahren.
Man kann es sich analog zu einem Taucher mit Druckluftflasche vorstellen: Im flachen Wasser sind problemlos Tauchgänge von mehr als einer Stunde möglich. Mit dem gleichen Vorrat an Sauerstoff sind in 40 Metern Tiefe dagegen nur noch wenige Minuten machbar. Einfach weil der Sauerstoff durch den höheren Druck in der Tiefe stärker verdichtet ist, und so mit jedem
Luftzug mehr Sauerstoff pro Liter Atemluft aus der Flasche entnommen wird.
Statt Sauerstoffmoleküle betrachten wir im Rahmen von Entnahmestrategien den Depotwert, der nach einem Crash temporär „komprimiert“ wird und so bei konstanter Entnahmehöhe schneller verbraucht wird.
Was in diesem Kontext gerne übersehen wird: Die Anpassung der Entnahmen an die Inflationsrate birgt ein eigenes zusätzliches Renditereihenfolgerisiko.
Achtung: es geht dabei nicht um die Renditen des Aktienmarktes, sondern um die Inflationsraten. Fallen diese in den ersten Jahren der Entnahmephase besonders hoch aus, werden die Entnahmen ebenfalls entsprechend stark erhöht. Dadurch kommt es auch ohne Kurseinbruch und Depotverlust zu einem deutlichen Anstieg von Entnahmen relativ zum Depotwert, genau wie beim klassischen (Aktienkurs-) Renditereihenfolgerisiko. Das auf diese Art und
Weise durch die Inflation zusätzlich verursachte Risiko habe ich übrigens in diesem früheren Artikel gründlich untersucht. Werfen wir jetzt einen Blick auf die Funktionsweise des Inflations-Cap.
Der Inflations-Cap bewirkt einer zeitlichen Streckung der Inflationsanpassung
Im Rahmen der praktischen Anwendung wird beim Inflations-Cap die tatsächlich realisierte Inflation mit einer selbst gewählten fiktiven Obergrenze verglichen. Nur wenn die tatsächliche Inflationsentwicklung unterhalb dieser Obergrenze bleibt, werden die Entnahmen in voller Höhe an die Inflation angepasst. Es kommt so zu einem vollständigen Erhalt der Kaufkraft. Liegt hingegen die tatsächliche Inflation aber oberhalb der selbst gesetzten Obergrenze, werden die Entnahmen nur bis zu dieser Grenze angepasst. Auf vollständigen Ausgleich der Inflation wird also verzichtet.
Die folgende Grafik veranschaulicht die Funktionsweise:
Die gelbe Linie beschreibt das tatsächliche Preisniveau. In den ersten Jahren steigt dieses stark an, nach 7 Jahren sind die Preise durchschnittlich um den Faktor 1,4 gestiegen. In der klassischen Variante der Entnahmestrategie würden die Entnahmen in dieser Zeit ebenfalls auf ein 140%-Niveau angehoben werden, so dass die Kaufkraft jederzeit vollständig erhalten bleibt.
Anders jedoch beim Inflations-Cap, die orange Linie im Schaubild, die in diesem Beispiel nur um 5% p.a. ansteigt. Nach den besagten 7 Jahren liegt das Anpassungs-Niveau mit einem 5%-Inflations-Cap bei nur 135%, das sind im Beispiel 5%-Punkte weniger als das tatsächliche Preisniveau.
Die tatsächliche Anpassungsrate der Entnahmen (gestrichelte Linie) entspricht bei der Inflations-Cap-Strategie immer dem Minimum aus tatsächlicher Preisniveauentwicklung und der selbst gewählten fiktiven Obergrenze. In dem Beispiel oben liegt die tatsächliche Inflationsrate in den ersten Jahren oberhalb der selbstgesetzten Grenze von 5% p.a. Deshalb werden die Entnahmen nicht vollständig an die tatsächliche Inflationsentwicklung angepasst, und es kommt temporär zu einem Verlust an realer Kaufkraft. Nach einigen Jahren, wenn sich die Entwicklung der Inflation wieder normalisiert hat, steigt die Obergrenze dagegen weiterhin jedes Jahr um 5% an. Dadurch wird die reale
Preisentwicklung nach einer gewissen Zeit wieder eingeholt, so dass die Kaufkraft langfristig erhalten bleibt.
Das folgende Diagramm stellt nominales und reales Entnahmeniveau gegenüber:
Durch die hohe Inflation in den ersten Jahren greift im Beispiel in Jahr 3 der Inflations-Cap. Das bedeutet, die Entnahmen werden nicht mehr vollständig an die Entwicklung des Preisniveaus angepasst (gelbe Balken), sondern nur bis zur Höhe des Inflations-Cap. Nach einiger Zeit, wenn sich die Inflationsraten wieder normalisiert haben, können die Entnahmen schließlich wieder an das
aktuelle Preisniveau angepasst werden (oranger Balken). Die tatsächlichen nominellen Entnahmen (blau) steigen in jedem Fall von Jahr zu Jahr.
Der Inflations-Cap schützt vor Inflationsrisiken statt vor Kursrisiken
Die Höhe der Entnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt X ergibt sich aus dem Produkt von Basis und Inflationsanpassung. Kann man beispielsweise heute 1.000 Euro entnehmen (Basis), dann sind nach 5 Jahren aufgrund der Inflationsanpassung vielleicht 1.000 Euro x 1,2 = 1.200 Euro darstellbar.
Klassische Flexibilitätsstrategien reduzieren die Basis. Im Falle eines Kurseinbruchs an den Aktienmärkten werden statt 1.000 Euro beispielsweise nur noch 900 Euro pro Monat entnommen.
Die Inflationsanpassung bleibt dagegen vollständig erhalten, so dass die endgültige Entnahme mit Flexibilität bei 900 x 1,2 = 1.080 statt 1.200 liegt.
Beim Inflation-Cap bleibt die Basis konstant bei 1.000 Euro, und es wird stattdessen die Inflationsanpassung reduziert. Beispielsweise könnte die Basis nur mit 1,08 statt mit 1,2 multipliziert werden. Der reduzierte Entnahmebetrag läge dann ebenfalls bei 1.000 x 1,08 = 1.080 statt bei 1.200 Euro ohne Flexibilität. Die effektive Wirkung auf die Höhe der Entnahmen ist somit gleich, der Auslöser für die Aktivierung der Flexibilität ist jedoch ein anderer.
Deshalb funktioniert der Inflations-Cap immer dann besonders gut, wenn das eigene Vermögen erhöhten Inflationsrisiken ausgesetzt ist. Dies trifft auf ein 100% Aktien-Portfolio nicht zu, weshalb klassische Analysen die Vorteilhaftigkeit des Inflations-Cap nicht wirklich offenlegen können. Wir untersuchen den Inflations-Cap daher im Folgenden an einem fiktiven Beispiel.
Je höher der Anteil nicht-inflationsindexier Vermögensgegenstände, desto wirksamer der Inflations-Cap
Um die Wirksamkeit des Inflations-Cap konkret zu untersuchen, betrachten wir folgenden Fall:
Eine Person ist 60 Jahre alt und plant für eine 40-jährige Entnahmephase mit sofortigem Start. Das Vermögen besteht aus zwei Komponenten. Den ersten Baustein bildet ein 500.000 Euro-Depot, investiert in gut diversifizierte Aktien. Der zweite Baustein ist eine monatliche Zahlung, die in 3 Jahren einsetzt und bis zum Ende der Entnahmephase bestehen bleibt. Man könnte sich
beispielsweise eine klassische Rentenversicherung vorstellen, die konkrete Herkunft der Mittel ist aber unerheblich. Wichtig ist lediglich, dass die Höhe der Zahlung im Zeitablauf konstant bleibt, also nicht im Einklang mit der Inflation wächst. Bis zum Start in die Entnahmephase sind noch 3 Jahre ohne zusätzliche Zahlungen zu überbrücken, ab dann setzt sich das Budget aus Renten und Entnahmen zusammen. Es handelt sich also um einen stereotypischen Klassiker der Finanzplanung.
Für eine genaue Differenzierung der Effekte schauen wir uns vier verschiedene Zahlungshöhen an: 5.000 Euro, 2.500 Euro, 1.000 Euro und 0 Euro (= klassisch 100% Aktien) pro Monat. Das folgende Diagramm zeigt wie sich der Inflation-Cap in den verschiedenen Szenarien auf die sichere Entnahmerate auswirkt:
Zuallererst fallen die blauen Balken auf. Diese repräsentieren das Szenario, bei dem unser Privatier ab Jahr 4 eine monatliche Zahlung i.H.v. 5.000 Euro zusätzlich erhält. Auf der rechten Seite das Ergebnis ohne Inflations-Cap. Von rechts nach links nimmt dann zunehmend die Höhe des Inflations-Cap ab, d.h. der Spielraum für Anpassungen an hohe Inflationsraten wird kleiner (blau umrandete Zeile).
Dementsprechend steigt die Entnahmerate. Diese bezieht sich immer auf das Depot von 500.000 Euro. Ohne Inflation-Cap liegt die sichere Entnahmerate bei 8,25% (siehe Wertetabelle oben rechts).
D.h. es können jeden Monat 500.000 x 8,25% / 12 = 3.438 Euro entnommen werden. Der Grund, warum dieser Wert unterhalb der Rente i.H.v. 5.000 Euro liegt, ist die Inflationsanpassung. Um auf extreme Szenarien vorbereitet zu sein, verzichtet die Person auf den vollen Entnahmebetrag, die anfängliche nominale Entnahme fällt entsprechend geringer aus.
Würde man dagegen auf jede Inflationsanapassung verzichten (linke Spalte der Datentabelle), dann läge die sichere Entnahmerate in diesem Fall bei stolzen 14,1%, und die monatliche Entnahme bei 5.875 Euro. Die Summe der Entnahmen aus dem Depot läge dann bei 3 x 12 x 5.875 + 37 x 12 x 875 = 600.000 Euro. Wir dürfen aus dem Depot über den 40-jährigen Zeitraum in Summe somit 120% des ursprünglichen Kapitals entnehmen, was einer durchschnittlichen nominalen Renditeerwartung von 0,45% p.a. entspricht. Ob dies für eine Dauer von 4 Dekaden konservativ genug ist, muss jeder für
sich selbst entscheiden.
Die weiteren drei Balkenfarben zeigen die sichere Entnahmerate in den alternativen Szenarien. Beim Vergleich der Szenarien fällt auf, dass die Steigerung der Entnahmerate durch den Inflations-Cap mit der Höhe des zusätzlichen Cash-Flows korreliert. Ohne jeden zusätzlichen Cash-Flow ist durch den Inflations-Cap eine Steigerung von 2,78% auf 3,17% möglich. In Budget ausgedrückt entspricht dies einem monatlichen Extra von (3,17% – 2,78%) x 500.000 / 12 = 162,50 Euro. Mit einem monatlichen Zufluss i.H.v. 2.500 Euro steigt der maximale Aufschlag beispielsweise auf 8,59% – 5,85% = 2,74% an. In absoluten Euro ausgedrückt macht dies 1.142 Euro zusätzlich pro Monat aus.
Allgemein gilt, dass die Vorteilhaftigkeit dieser Strategie mit zunehmendem Cash-Flow ebenfalls steigt. Und da zusätzliche Cash-Flows eher die Regel als Ausnahme sind, stellt der Inflationscap eine Entnahmestrategie mit hoher Relevanz für die Praxis dar.
In Kombination mit der Ansparphase wirkt der Inflations-Cap besonders stark
Im Rahmen der Finanzplanung überzeugt insbesondere die Kombination von Forward-Entnahmerate und Inflations-Cap. An dieser Stelle kurz zur Erinnerung: Die Forward-Entnahmerate ist die zukünftige sichere Entnahmerate, basierend auf dem heutigen Vermögen. Dadurch hat der potentielle Privatier während der Ansparphase zunächst die Möglichkeit das tatsächliche Inflationsgeschehen zu
beobachten. Erst mit dem tatsächlichen Start in die Entnahmephase erfolgt die Festlegung auf eine konkrete Strategie.
Ein Beispiel: Jemand erstellt heute eine Finanzplanung mit dem Ziel in fünf Jahren die Entnahmephase zu beginnen. Die sichere Entnahmerate in fünf Jahren wird zunächst für zwei Strategien bestimmt – einmal ohne Inflations-Cap und einmal mit einem 4%-Inflations-Cap. Ohne Inflations-Cap fallen die Entnahmen geringer aus, sind dafür aber in jedem Fall zu 100% inflationsindexiert (Annahme: Entnahmerate = 3%). Mit Inflations-Cap ist die Entnahmerate höher, es besteht jedoch Anpassungsbedarf bei hoher Inflation (Annahme: Entnahmerate = 3,5%).
Nach Ablauf der 5-jährigen Ansparphase erfolgt der Vergleich mit der tatsächlichen Inflation. Es gibt die folgenden Möglichkeiten:
1) Die kumulierte Inflation liegt nach fünf 5 Jahren bei 10%
a) Strategie ohne Inflations-Cap: Entnahmerate nach fünf Jahren = 3% x 1,1 = 3,3%%
b) Strategie mit Inflations-Cap: Entnahmerate nach fünf Jahren = 3,5% x 1,1 = 3,85%
-> Der Inflations-Cap liegt vorne. Es wäre maximal eine Anpassung von 5 x 4% = 20% möglich gewesen.
Die Differenz zu den tatsächlichen 10% sind ein Puffer für zukünftige Anpassungen. Das bedeutet, dass die Strategie in den kommenden Jahren auch bei Inflationsraten oberhalb von 4% die volle Kaufkraft erhält.
2) Die kumulierte Inflation liegt nach fünf 5 Jahren bei 50%
a) Strategie ohne Inflations-Cap: Entnahmerate nach fünf Jahren = 3% x 1,5 = 4,5%
b) Strategie mit Inflations-Cap: Entnahmerate nach fünf Jahren = 3,5% x 1,2 = 4,2%
-> Die Strategie mit Inflations-Cap erscheint nach Ablauf der 5-jährigen Ansparphase nachteiliger und wird daher zum Start der Entnahmephase verworfen.
3) Die kumulierte Inflation liegt nach fünf 5 Jahren bei 40%
a) Strategie ohne Inflations-Cap: Entnahmerate nach fünf Jahren = 3% x 1,4 = 4,2%
b) Strategie mit Inflations-Cap: Entnahmerate nach fünf Jahren = 3,5% x 1,2 = 4,2%
-> Beide Entnahmen sind gleich hoch, der Privatier entscheidet sich für die Strategie ohne
Inflations-Cap, da diese aufgrund der vollständigen Inflationsanpassung zukunftssicherer ist.
Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist, dass der Inflations-Cap auf das Datum der Planung referenziert. Es werden vorab mehrere alternative Szenarien berechnet, um sich in Zukunft für die dann optimale Strategie entscheiden zu können. Dies entspricht im Ansatz der Strategie des progressiven Entnehmens, welche in diesem Artikel bereits diskutiert wurde.
Fazit
Mit der Flexibilisierung der Inflationsanpassung steht ein wirksames Mittel gegen das inflationsbedingte Renditereihenfolgerisiko zur Verfügung. Die Effektivität der Strategie ist insbesondere dann hoch, wenn ein signifikanter Teil der Vermögensgegenstände keinen eigenen Inflationsschutz besitzt. Darüber hinaus sind Flexibilitätsstrategien generell im Einklang mit dem natürlichen Investor-Verhalten. In Zeiten der Krise fühlt man sich schnell ohnmächtig, so dass das Anpassen des eigenen Verhaltens an die neuen Umstände das Kontrollbedürfnis befriedigt, was zu einer selbstsichereren und konsequenteren Umsetzung der ursprünglich gewählten Entnahmestrategie führt. Denn nichts ist schlimmer als in der Hitze des Gefechts die Nerven zu verlieren und deshalb schwere Fehler zu begehen. Wenn durch die Berücksichtigung dieser gewollten Flexibilität dann auch noch das Budget während der Entnahmephase steigt, dann kann man schon fast von einem „behavioral free lunch“ sprechen.
Wäre es nicht vielleicht eh besser statt einer Inflationsanpassung der Entnahmerate eine Anpassung an die Lohnentwicklung vorzunehmen?
Hi Marius, ein interessanter Gedanke. In der Vergangenheit hat sich die gesetzliche Rente im Schnitt mit Inflation + 0,5% entwickelt. Da die Rentenhöhe von der Entwicklung des Lohnniveaus abhängig ist, kann man das durchaus so übertragen. Die +0,5% sind der Wertschöpfungshinzugewinn. Die sichere Entnahmerate wäre aufgrund des im Zeitablauf höheren Anpassungsbedarf entsprechend geringer.
Das würde in schlechten Zeiten wie jetzt die Entnahme verringern und in guten Zeiten die Entnahme erhöhen.
Wäre mir auch allgemein sympatischer als die Inflationsrate der Statistiker. Momentan ist die Inflationsrate in Osteuropa doch hauptsächlich nur höher, da der Energieanteil am Warenkorb größer ist wegen des geringeren Lohnniveaus. Oder in der Schweiz geringer, weil die Löhne höher und der Energieanteil geringer als bei uns ist.
Mit dem hier vorgestellten Inflations-Cap sind die Entnahmen aktuell auch nach unten angepasst.
Wieder mal ein sehr interessanter Ansatz anhand einem relevanten Beispiel erklärt, danke dafür!
Habe noch an zwei Stellen gestockt:
– In Abb1 ist der Inflationscap eine (Ursprungs-)Gerade. Müsste man zur Berücksichtigung einer konstanten maximal akzeptablen Inflation von bspw. 5% nicht eine exponentielle Kurve erwarten (vgl. Zinseszins)?
– Müsste auf der Abszisse die Datenreihe nicht bei t=0 statt t=1 mit 100% des Basiswerts starten?
Gerne korrigieren, sollte ich mich irren.
Danke & Grüße
Dan
Hi Dan,
ob Gerade oder Kurve, das bleibt einem selbst überlassen. Ursprünglich hatte ich mich auch für einen exponentiellen Verlauf entschieden. Die Beratungspraxis hat dann aber gezeigt, dass ein linearer Cap leichter in der Umsetzung ist. Im Vergleich ist die lineare Variante leicht konservativer, da die Anpassungen nach hinten raus stärker begrenzt werden. Der Effekt auf die Entnahmrate sollte aber minimal sein, da das Risiko eher am Anfang der Entnahmephase liegt.
Bzgl. der Grafik kann man die Abszisse alternativ auf 0 setzen, aber so muss man es halt als Beginn von Jahr x lesen 🙂
Hochinteressanter Artikel!
Das Vorhandensein eines Inflationsrisikos als Renditereihenfolgerisiko
war mir in dieser Form noch nicht klar.
Erstaunlich finde ich die Höhe der durch Inflations-Cap „angepassten“ SWR.
Noch eine Ergänzung:
M. Kitces hat in einem ähnlichem Zusammenhang (andere Anpassungsstrategie)
darauf hingewiesen, das diese Anpassungen dann quasi dauerhaft sind.
Also eine Summe X, um die im Jahr Y reduziert wurde, nicht später direkt wieder draufgeschlagen wird um den Konsum „nachzuholen“.
Das sollte eigentlich aber klar sein.
Indirekt holt man sich gewissermaßen den Konsum über die SWR durch die Hintertür wieder, soweit möglich.
Das mit den Entnahmen verbundene Risiko wird immer dann schlagend wenn das Verhältnis von Depot und Entnahmehöhe über die durchschnittliche Asset-Rendite ansteigt. Entweder durch Verringerung des Nenners (Aktiencrash) oder Anstieg des Zähler (hohe Inflation) oder sogar beides gleichzeitig wie während der Ölkrise in den 70er Jahren.
Angenommen ich bestimme meine SWR mit dem inflationsbereinigten S&P500. Was ist nun genau der Unterschied der hier vorgestellten Strategie zu einer gewöhnlichen Flexibilität, welche bei starken Kurseinbrüchen greift? Ich sehe als Vorteil nur, dass es vielleicht leichter ist Preissteigerungen zu umgehen (z. B. durch langfristige Verträge), als seine Ausgaben nominell zu reduzieren. Oder übersehe ich etwas ganz wesentliches?
Wenn du deine SWR mit dem inflationsbereinigten S&P bestimmst, dann nimmst du implizit eine vollständige Anpassung an die Inflation an.
Das Renditereihenfolgerisiko kann auf zwei Arten schlagend werden, Kurseinbruch und Inflationsanpassung. Eine Flexibilitätsstrategie die auf reale Kurseinbrüche reagiert greift nicht wenn die steigende Inflation durch eine entsprechende Kursentwicklung kompensiert wird, was bei Aktien bisher so beobachtet wurde. Daher bietet der Inflationscap auch erst signifikante Vorteile wenn man nicht inflationsindexierte Assets besteuert. Das habe ich auch versucht durch den Vergleich herauszuarbeiten.
Falls du zu 100% nur aus Aktien entnimmst (in der Praxis eher unwahrscheinlicher), dann ist das Inflationsrisiko eher unwesentlich.
Angenommen man hat diese Flexibilität in den Ausgaben, könnte man sogar beides adressieren: Kurseinbruch und Inflation. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich das Risiko wirklich eingehen will, eine Entnahmestrategie darauf aufzubauen, in Stresszeiten meine Entnahme reduzieren zu können. Es ist gut möglich, dass sich in solchen Zeiten mein Kapitalbedarf sogar erhöht, weil ich gezwungen bin ineffizienter zu wirtschaften.
Das ändert aber nichts am Einfallsreichtum deines Ansatzes! Woher nimmst du immer diese Ideen?
Wobei ich die Entnahmerate eher als virtuelle Rate betrachten würde, da man ja nicht wirklich jeden Monat den gleichen Betrag entnehmen und verkonsumieren wird. Also als durchschnittliche monatliche Entnahme über die Zeit. Das glättet natürlich Inflations- und Kursschwankungen.
Beispiel Autokauf: Man wird als Rentner nicht ein Auto beim Händler finanzieren oder von seinen monatlichen Entnahmeraten das Geld fürs Auto ansparen, sondern den Gesamtpreis aus dem Depot entnehmen. Wenn jetzt jemand alle sechs Jahre einen Neuwagen kauft, dann ist nach dem Kauf erst einmal die Inflation/Kursschwankung für sechs Jahre für den Anteil „Autokauf“ im Budget verschwunden.
Ähnlich mit anderen größeren Ausgaben. Habe ich auf meiner Urlaubsliste New York, Rio, Tokio, Dresden und Riedrode so kann ich dort durch eine Reihenfolgeänderung auch eine Anpassung vornehmen.
Ich denke es würde Sinn machen den (durchschnittlichen) monatlichen Bedarf in Basis und Luxus aufzuteilen. Der Luxusanteil darf gerne schwanken, was eine höhere monatliche Entnahme zur Folge hätte.
Korrekt, man muss jeden Fall individuell betrachten. Flexibilitätsstrategien sind nicht immer sinnvoll, eher bei großzügigen Budgets. In der Praxis ist die jährliche Entnahme üblich, auch wenn die monatliche Entnahme bessere Resultate liefert. Dadurch lässt sich unterjährig leichter budgetieren. Ausgaben die nur alle Jahre auftreten sollte man abgrenzen und entsprechende Rücklagen bilden.
Flexibilität ist grundsätzlich gut für dir Entnahmerate. Meiner Erfahrung nach hat ein bestimmte Zusammensetzung von Vermögensgegenständen entweder dem Inflationsrisiko oder dem Kursrisiko gegenüber eine Schwäche. Es ist dann meine Aufgabe die im konkreten Fall passende Vorgehensweise zu identifizieren.
Der Inflationscap ist auf Basis meiner Erfahrungen aus der Finanzplanung entwickelt worden. Mir ist aufgefallen, dass Inflationsrisiken im Rahmen der gesamthaften Betrachtung oft grösser sind als die sonst eher ausschließlich betrachteten Kursrisiko. Da lag es auf der Hand damit zu experimentieren.
Dank Georgs Beratung habe ich die Ertragsausrichtung meiner Vermögensgegenstände so aufgestellt, dass sie inflationsausgleichend wirken.
Sprich ich habe die Allokation Immobilie reduziert und mein Einzelaktiendepot vergrößert.
Im Depot sind überwiegend Dividendentitel, deren Dividendensteigerungen meist über der Inflation liegt. Die Vermietungen laufen jetzt auf Indexmietverträgen, welche sich der Inflation anpassen. Zumindest besser als mein derzeitiges Arbeitseinkommen. Dazu eine Cashreserve. Die gesetzliche Rente später passt sich ja auch der Lohnentwicklung an und bildet dann die 3 Quelle ab.
So habe ich für mich mein Wohlfühllevel gefunden, bei dem ich auch Wertschwankungen (Aktien/Immobilien) gut mental aushalten und mich wohlfühlen kann.
Die Berechnungen lese ich trotzdem gerne. Danke dafür!
Moin Niklas, kurze Frage zu den Indexmietverträgen: welcher Preisindex liegt diesen zugrunde, und sind die Anpassungen unbegrenzt möglich?
Hi Georg,
die Indexmietverträge basieren auf dem Verbraucherpreisindex des buddhistischen Standesamtes.
Ob ich die Umsetzung in Ausnahmejahren wie diesen voll umsetze werde ich sehen. Es ist ja wie immer im Leben ein Geben und Nehmen.
Ich war ohne Indexvertrag wie die meisten Vermieter einfach zu nachlässig die Miete zeitnah anzupassen.