Meine Gedanken beginnen bereits um das nächste Thema zu kreisen…doch eine Sache muss noch geklärt werden, bevor wir das Thema Altersvorsorge und sichere Entnahmerate endgültig ad acta legen können.
Vor ein paar Wochen ging es hier auf diesem Blog um die Frage welchen Einfluss die gesetzliche Rente oder jede andere zukünftige Zahlung auf die sichere Entnahmerate im Hier und Jetzt haben. Das Ergebnis lautete, dass man die zukünftigen Zahlungen mit der Aktienmarktrendite abzinst, so den Barwert erhält, diesen ins Verhältnis zum Barvermögen setzt, und anschließend die Entnahmerate entsprechend anpasst.
Doch was, wenn ich mir einen Teil meiner gesetzlichen Rentenansprüche schon heute in Form einer höheren Entnahmerate auszahle, dann aber ein massiver Kurseinbruch die Ersparnisse vernichtet, bevor die Rente überhaupt einsetzt?
Wer sich selbst zu reich rechnet, dem droht am Ende die Pleite
Stellen wir uns folgende Situation vor: eine junge Frau namens Paula im Alter von 30 Jahren nennt ein ETF-Depot im Wert von 100.000 Euro ihr Eigen. Darauf ist sie zu Recht stolz, ihr Ziel der finanziellen Freiheit hat sie damit aber noch lange nicht erreicht. Jedoch hat Paula Glück, sie ist Nachkomme in einer reichen Familie. Und sie weiß deshalb heute schon, dass sie mit Erreichen des 60. Lebensjahrs gemäß dem Testament ihres Ur-Opas 1 Million Euro erhalten wird.
Gemäß der Faustregel, dass sich der Barwert bei 7% Verzinsung p.a. alle 10 Jahre halbiert, ist die großzügige Einmalzahlung aus Uropas Sparstrumpf heute 30 Jahre vor ihrem 60. Geburtstag ca. 125.000 Euro Wert. Denn gemäß Daumenregel halbiert sich der Barwert bei Abzinsung mit der Aktienmarktrendite ca. einmal pro Dekade. 125.000 Euro, das sind 125% von ihrem aktuellen 100.000 Euro Portfolio.
Angenommen Paula würde aufgrund ihres Alters aktuell mit einer Entnahmerate von 3,25% p.a. planen (Entnahme: 3.250 Euro p.a. von ihrem 100.000 Euro Depot), dann würde sich diese Entnahmerate durch die erwartete Zahlung gemäß Testament rein rechnerisch auf 3,25% * (1 + 1,25) = 7,31% (7.310 Euro p.a. von ihrem 100.000 Euro Depot) erhöhen. Wir wissen aber: 7,31% p.a. für 30 Jahre bis zur Zahlung des Nachlasses, das ist nicht gerade besonders sicher. Gilt für diesen Zeitraum doch schon für die wesentlich konservativere 4%-Regel bereits eine Pleitewahrscheinlichkeit von 2,8%.
Die Annuitätenformel setzt einen perfekt flexiblen Kapitalmarkt voraus
Jeder der sich rudimentär mit Entnahmestrategien befasst hat, erkennt sofort, dass eine Entnahme i.H.v. 7,31% p.a. über einen Zeitraum von 30 Jahre viel zu riskant ist. Davon ist klar abzuraten. Trotzdem können mit 100.000 Kapital heute und 1 Millionen Euro zusätzlich in 30 Jahren jedes Jahr 7,31% von 100.000 entnommen werden, und am Ende geht alles glatt auf. Das Problem dabei: zwischendurch wird der Kapitalstand auch mal negativ. Denn die Annuitätenformel, die zur Berechnung der sicheren Entnahmerate verwendet wird, nimmt einfach an, dass man sich jederzeit zu einem Zinssatz in Höhe der sicheren Entnahmerate verschulden kann. Doch diese Annahme erweist sich selbstverständlich als praxisfern. Lässt sich eine zukünftige Zahlung im Notfall nicht vorzeitig realisieren, z.B. durch einen Verkauf eines Objektes oder Vertrags, dann besteht grundsätzlich die Gefahr einer Pleite vor Erhalt der Zahlung. Dies trifft in jedem Fall auf die gesetzliche Rente oder ein Erbe zu.
Grafik: die Einmalzahlung nach 30 Jahren erlaubt zuvor einen temporär negativen Kapitalstand. Das heisst: Paula müsste über24 Jahre massiv ins Minus gehen; wer soll ihr auf eine künftige Erbschaft diesen Kredit einräumen?
Entscheidend ist der Zeitpunkt der Zahlung
Ein anderes extremes Beispiel verdeutlicht jedoch, dass es ein Fehler wäre, zukünftige Zahlungen im Hier und Jetzt nicht zu berücksichtigen. Modifizieren wir einfach das Beispiel oben und nehmen an, dass das Testament von Paulas Uropa verfügt, dass jeder Nachkomme im Alter von 31 eine Millionen Euro erhält. Paula müsste also statt 30 nur noch 1 Jahr überbrücken. Abgezinst über ein Jahr mit 7% ergibt sich ein Barwert von 935.000 Euro. Gemäß Formel kann Paula ihre Entnahmerate auf 3,25% * 10,35 = 33,64% erhöhen. Dieser Wert bezieht sich auf die bereits vorhandenen 100.000 Euro in Pauls Depot. Der reale jährliche Entnahmebetrag läge damit bei 33.638 Euro!
Das wiederum ist absolut gerechtfertigt. Denn in einem Jahr wird Paula 1 Millionen Euro erhalten. Sollten abzüglich der Entnahmen für das vergangene Jahr dann noch mindestens 35.000 Euro im Depot liegen, was sehr wahrscheinlich ist, dann könnte Paula ihre ursprünglichen 3,25% Entnahmerate mit einem Gesamtvermögen von 1.035.000 Euro wiederherstellen. Außerdem wäre im Falle einer niedrigeren Bewertung des Aktienmarktes zudem eine höhere Entnahmerate gerechtfertigt, so dass reale 33.638 Euro auch in einem adversen Szenario weiterhin möglich wären.
Wie man es also auch dreht und wendet, gegen Paulas Plan, die Zahlung von 1 Millionen Euro in einem Jahr bereits heute zu berücksichtigen, ist nichts einzuwenden.
Der entscheidende Unterschied in beiden Beispielen ist die Wartezeit bis zur Zahlung.
Die zukünftige Zahlung reduziert die Duration der Entnahme
Gibt es also eine zeitliche Grenze bis zu der man zukünftige Zahlungen berücksichtigen sollte? Z.B. alle Zahlungen bis 10 Jahre werden berücksichtigt, alles danach nicht mehr?
Nein, aber es gibt eine Obergrenze bis zu der die sichere Entnahmerate durch die Berücksichtigung von zukünftigen Zahlungen ansteigen kann.
Diese Obergrenze liegt bei der sicheren Entnahmerate, die für den verbleibenden Zeitraum bis zum Erhalt der Zahlung angemessen wäre.
Beispiel: Paula kalkuliert als 30-Jährige mit einer entsprechend langen Rest-Lebenserwartung mit einer geringen Entnahmerate von nur 3,25%. Für den 30-jährigen Zeitraum erachtet sie jedoch eine Entnahmerate i.H.v. 3,75% als vernünftig. Der kürzere Entnahmezeitraum erlaubt mehr Mut zum Risiko. Dieser Wert stellt damit eine sinnvolle Obergrenze gemäß Paulas individuellem Risikoappetit für das erste Beispiel dar. Daher kann die Entnahmerate nicht wie oben berechnet auf 7,31% erhöht werden. Ganz ohne Effekt bleibt eine Zahlung in Höhe des 10-fachen Depotwerts aber definitiv nicht, auch wenn diese noch 30 Jahre in der Zukunft liegt.
Ganz anders das 2. Beispiel: für den einjährigen Zeitraum ist Paula bei monatlichen Entnahmen bereit eine annualisierte Entnahmerate von 75% anzusetzen. Mit dieser großzügigen Obergrenze kann sie sich die Millionen voll anrechnen und ihre Entnahmerate auf 33,64% erhöhen.
Am Ende ist alles auch eine Frage des persönlichen Risikoappetits
Die Grenzen der Entnahmerate werden also wesentlich durch den persönliche Risikoappetit bestimmt. Tatsächlich beginnt die Unsicherheit, was die Berücksichtigung von zukünftigen Zahlungen betrifft, schon ab Paulas Entscheidung für eine Entnahmerate i.H.v. 3,25% p.a.
Wieso nicht der historisch beobachtete Tiefstwert gemäß S&P 500 von 2,6%. Oder vielleicht sogar auch nur 2% für den Fall, dass japanische Verhältnisse drohen?
Tatsächlich kann einem niemand im Vorfeld eine Garantie dafür geben, dass die eigene Entnahmerate sicher ist. Oder, dass die Aktienkurse dauerhaft steigen. Wer sein Geld in den Aktienmarkt investiert, setzt sich einer Situation aus, in der es nur noch Wahrscheinlichkeiten aber keine vollkommene Sicherheit mehr gibt. Wer Rendite will muss den Kontrollverlust akzeptieren können.
Das Risiko lässt sich nicht eliminieren, aber zum Glück transformieren. Mit einer niedrigen Entnahmerate verlagern wir das Pleiterisiko in eine andere Ecke. Nämlich hin zu dem Risiko unter den eigenen Möglichkeiten gelebt zu haben. Wieviel Risikotransfer gewünscht ist, muss am Ende jeder für sich festlegen. Denn hier gibt es keine eindeutige Wahrheit, sondern nur Bandbreiten innerhalb derer man sich aufgrund der historischen Erfahrungen vernünftigerweise bewegen sollte.
Als Unterstützung bei der Bestimmung der persönlichen Entnahmerate dient der folgende Chart. Dieser Zeigt die sichere Entnahmerate nach Laufzeit und Pleitewahrscheinlichkeit. Die Daten basieren auf der realen Rendite des S&P 500 von 1900 – 2020.
Erstaunlich ist der enorme Anstieg der Entnahmerate, wenn man statt strikten 0% eine minimale Pleitewahrscheinlichkeit von bereits nur 0,5% toleriert. Ich persönlich bevorzuge im Rahmen der Finanzplanung Entnahmeraten mit einer Pleitewahrscheinlichkeit von 1% bis 2,5%.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Berücksichtigung der gesetzlichen Rente?
Vielleicht erinnerst du dich, der erste Artikel aus der Serie Altersvorsorge und sichere Entnahmerate enthält am Ende eine Tabelle. Aus dieser kann man ganz einfach ablesen, wie sich die Entnahmerate in Abhängigkeit von Alter und Anzahl der Rentenpunkte entwickelt. Der Tabelle liegt dabei die Annahme zugrunde, dass die gesetzliche Rente im Alter von 67 startet. Diese Annahme ist nicht nur zur Bestimmung des Barwerts wichtig, sondern wird auch zur Ermittlung der Obergrenze für die sichere Entnahmerate benötigt.
Je nach aktuellem Alter liegt der Beginn der gesetzlichen Rente mehr oder weniger weit in der Zukunft. Anders als im Beispiel oben handelt es sich jedoch nicht um eine Einmalzahlung, sondern um fortlaufend monatliche Zahlungen. Dieser Aspekt ist bei der Berechnung der Duration wichtig.
Beispiel: ein 47-Jähriger muss noch 20 Jahre bis zum Beginn der gesetzlichen Rente warten. Anschließend plant er im Rahmen der persönlichen Finanzplanung vorsichtig bis zu einem Alter von 90 Jahren. Das bedeutet, er geht davon aus, ab einem Alter von 67 für insgesamt 24 Jahre die gesetzliche Rente zu beziehen. Die mittlere zeitliche Entfernung des Zahlungsstroms liegt demnach grob bei 20 + 24/2 = 32 Jahren. Maßgeblich für die Obergrenze der neuen Entnahmerate ist also die sichere Entnahmerate für den 32-jährigen und nicht den 20-jährigen Zeitraum.
Es ergeben sich folgende Implikationen für unsere Tabelle aus dem bereits zuvor erwähnten Artikel:
Die Daten sind für ein Depot i.H.v. 500.000 Euro, eine sehr konservative Pleitewahrscheinlichkeit von 0% und einen Planungshorizont von 90 Jahren berechnet. Das zugrundeliegende Rechenmodell habe ich dabei im Vergleich zum vorherigen insofern modifiziert, als dass nun auch die Basis Entnahmeraten an die vorgegebene Pleitewahrscheinlichkeit gekoppelt sind (also ohne Berücksichtigung von Rentenansprüchen; linke Spalte; daher sind diese bei einer Wahrscheinlichkeit von 0% entsprechend gering). Die roten Felder markieren Konstellationen von Alter und Anzahl Rentenpunkten, bei denen die Anwendung der Formel zur Berücksichtigung zukünftiger Zahlungen Ergebnisse außerhalb der eigenen Risikotoleranz produziert. Dies ist immer dann der Fall, wenn die theoretische Entnahmerate über der zulässigen Obergrenze (rechte Spalte „Cap“) liegt.
Anders sieht das Bild mit einem Depotwert von 1 Millionen Euro und einer Pleitewahrscheinlichkeit von 2,5% aus:
Durch das höhere Barvermögen ist der Barwert der Rente hier relativ betrachtet kleiner. Daneben steigt auch die maximal zulässige Entnahmerate infolge des erhöhten Risikoappetits, welcher sich durch die Akzeptanz einer 2,5%-igen Pleitegefahr ausdrückt. Ab einem Alter von 55 erlaubt die Berücksichtigung der gesetzlichen Rente eine recht ordentliche Erhöhung des Entnahmebetrags bei gleichzeitiger Wahrung der eigenen Risikoneigung.
Wer testen will, wie sich andere Parameter wie z.B. eine höhere Pleitewahrscheinlichkeit auf das Ergebnis auswirken, der findet unter diesem Link das zugrundeliegende Modell.
Das von mir entwickelte und benutzte Tool zur vollumfänglichen Simulation aller Effekte im Rahmen der persönlichen Finanzplanung besitzt übrigens einen dementsprechenden Filter. So wird vermieden, dass unplausible Vermögensverläufe nicht das Resultat verfälschen und nicht vorhandene Möglichkeiten suggerieren. In den entsprechenden Ergebnis-Tabellen in diesem Artikel wird beispielsweise durch ein „n/a“ in den Spalten mit besonders geringer Pleitewahrscheinlichkeit angezeigt, dass eine sichere Entnahme nicht immer umsetzbar ist.
Zum Abschluss: ein Plädoyer für das Risiko
Wer sich gar nicht mit dem Konzept von Entnahmestrategie anfreunden kann, der denkt sicherlich über eine private Rentenversicherung nach. Oft wird dabei übersehen, dass auch diese renditeschwache Form der Altersvorsorge nicht risikolos ist. Denn es besteht die Möglichkeit einer Pleite der dahinterstehenden Versicherungsgesellschaft. Anders als bei einer Anlage in ETFs handelt es sich bei Versicherungsguthaben nicht um Sondervermögen. Im Falle der Insolvenz wandern die eigenen Ersparnisse somit in die Insolvenzmasse.
Die Mehrzahl der Versicherer verfügt über ein Rating in der Bandbreite von AA+ bis Single A. Dies entspricht einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,03% bis 0,08%. Damit ist das Risiko sehr gering, aber dennoch immer existent. Chance und Risiko sind einfach unzertrennlich miteinander verbunden.
Beitragsbild: EvgeniT, pixabay.com
Hallo,
danke für das Tool! Ich habe ein bisschen gebraucht, um es zu verstehen, weil ich dem Ergebnis nicht so richtig glauben wollte 😉 aber schlussendlich bin ich jetzt doch darin bestärkt, dass meine ursprüngliche Annahme, die gesetzliche Rente einfach zu ignorieren, im Endeffekt die richtige ist.
Bei einem Planungshorizont bis 105 Jahre, einem Renteneintritt mit 45 und meiner Meinung nach eigentlich stattlichen ca. 60 Rentenpunkten (für 2 Personen) verändert der Einbezug der zukünftigen gesetzlichen Rente bei einer Pleitewahrscheinlichkeit von 2,5% kaum etwas an der möglichen Entnahmerate bzw. dem anzusparenden Zielvermögen.
Ich komme hier auf eine Differenz von nur etwas mehr als einer Jahressparrate bzw. etwas mehr als 1.000€ p.a. Entnahme mehr als ohne Berücksichtigung der Rente.
Danke für das zur Verfügung stellen!
Viele Grüße
Jenni
Hi Jenni,
in deinem Fall völlig richtig, weit in der Zukunft liegende Zahlungen haben kaum einen Effekt. Relevant werden zukünftige Rentenzahlungen für Menschen ab 50 / 55, alles andere ist zu früh. Wenn du mit 45 beginnst dein Vermögen zu entsparen, dann wirst du vermutlich eine vorsichtige Entnahmerate wählen. Hier könnte man dann im Rahmen einer progressiven Vorgehensweise (siehe z.B. hier https://www.finanzen-erklaert.de/progressives-entnehmen-entnahmestrategie/) nach einigen Jahren damit beginnen das Thema vorhandene Altersvorsorge langsam einzuphasen 🙂
Schönen Sonntag noch, Georg
wie immer: sehr interessanter Artikel!
Meines Erachtens müsste es aber im 3. Absatz des 2. Abschnitts nicht
heißen, sondern eher 3,25% + 3,25% * 1,25 = 7,31%.
Aber: kann man sich ja auch zusammenreimen…
Vielen Dank!
Alexander
Hi Alexander,
solche kleinen Fehler können manchmal die Nachvollziehbarkeit erschweren, daher vielen Dank für den Hinweis! Ich hab die Stelle entsprechend korrigiert.
Gruß, Georg
Vielen Dank für den Hinweis & Teilen deiner persönlichen Erfahrung!
Ich persönlich halte es auch für sehr unwahrscheinlich im Leistungsfall tatsächlich leer auszugehen. Selbst wenn die Deckungsmasse im Fonds nicht ausreichend sein sollte um einen größeren Schadenfall abzudecken würden Verlustüberschüsse wahrscheinlich über den Staat sozialisiert werden, sollte davon eine wesentliche Anzahl Personen betroffen sein.
Die Idee bei der Rente zu diversifizieren finde ich sehr gut!
Ich darf noch hinzufügen, obwohl eigentlich off-topic:
Solange es sich nicht um eine Systemkrise handelt (und nur eine einzelne Gesellschaft Pleite geht) hat die Versicherungswirtschaft ein überwältigendes Interesse an solchen relativ lautlosen Auffanglösungen – und würde diese ggf aufstocken.
Alternativ würde bei fehlendem Vertrauen in die Sicherheit das gesamte Geschäftsmodell in Frage gestellt.
Hm..meinst du nicht, dass Paula bei einer Bank einen Kredit zu 7% über 800k€ mit 30 Jähriger Laufzeit bekommen würde? Wenn sie das Testament vorlegt, die Bank die Vermögenssituation vom Uropa prüft und ein entsprechender Vertrag aufgesetzt wird?
Klar ist das für die Bank ein illiquides Risiko, aber vollkommen unrealistisch halte ich das nicht. Bei soviel Geld ist der Uropa bestimmt ein gern gesehener Gast bei seiner Bank. Da kann man für die liebe Verwandtschaft doch mal ein 7% „Zinsgeschenk“ machen 🙂
Ansonsten wieder einmal ein toller Beitrag, mit viel Zahlenmaterial, dass man sich für später zurücklegen kann 🙂
Ich will ca. alle 5 Jahre mal einen größeren Überblick machen, wo ich gerade stehe (Vermögen, Ausgaben, Zufriedenheit im Job, Familie, Zukunftsplanung) und werde in dem Zuge dann auch immer durchrechnen, wie lange mein Geld reichen würde, oder anders herum, wie viel noch fehlt bis es reicht. Und da sind deine Vorlagen Klasse für!
Falls Paula einen Kreditgeber fände, dann dürfte der Zins maximal der Entnahmerate entsprechen, denn davon geht die Annuitätenformel aus.
Ich persönlich finde einmal pro Jahr eine Vermögensinventur sinnvoll. Einmal pro Jahr kommen auch die diversen Standmitteilungen der Versicherung usw. und im Depot passiert über 12 Monate normalerweise auch einiges. Und dann wäre da noch das „Theta“, also der Aufschlag auf die sichere Entnahmerate einfach weil ein Jahr vorbei ist. Aber da passiert mit 40 noch nicht so viel.
Du hast in deinem Beispiel ja errechnet, dass ihre modifizierte Entnahmerate 7,31% beträgt. Und du nanntest die Option der Verschuldung praxisfern. Die Beispielkurve ging bis knapp unter -800K, darum die Überlegungen von mir. Also einfach nur um das Verb „praxisfern“ von dir zu challengen 🙂
Versteh mich nicht falsch, mein Vermögen ist (incl. betrieblicher AV, ohne gesetzliche Rente) komplett in Portfolio Performance abgebildet und wird monatlich aktualisiert. Haushaltsbuch wird auch geführt.
Aber FIRE ist für mich kein Ziel. Also geplanter Renteneintritt mit 60+. Das sind noch 30 Jahre hin. Insofern sind die ganzen Entnahmestrategien für mich uninteressant, weil ich noch weit weg bin und lange Zeit habe. Daher reicht mir jetzt (in der Planung) alle paar Jahre mal drüber zu gucken wo ich stehe, wie weit ich damit komme (zum Betrachtungszeitpunkt) und wo mich mein aktueller Pfad hinführen würde (extrapolation vom Status Quo auf den zukünftigen Renteneintritt). Und da sind deine Überlegungen dann natürlih doch wieder Gold wert.
Das ist sicherlich vernünftig das ganze so zu betrachten. Ich persönlich denke ab 55 sollte man in der Lage sein aufzuhören. Denn wenn dann was passiert fliegt man schnell mal aus der Kurve. Ich habe im eigenen Umfeld schon so manches Opfer von Restrukturierungen, Übernahmen etc gesehen. Insofern kann man die finanzielle Unabhängigkeit auch als Versicherung betrachten.
Die finanzielle Unabhängigkeit als eine Art Vorsorge für berufliches Scheitern ab 50 oder 55 Jahre zu betrachten, ist aus meiner Sicht genau die Art und Weise, wie viele die FU tatsächlich sehen (müssen). So nach dem Motto, ich arbeite grundsätzlich gerne, möchte aber mit 55 nicht mehr darauf angewiesen sein, einen hochbezahlten Job zu machen/zu finden, um meinen Lebensstandard zu halten, sondern möchte meinen (erhöhten) Lebensstandard grundsätzlich auch mit einem Job im Mindestlohnbereich (als absolut unterste Grenze) halten können. Ich denke, dann kann man sich auch schon finanziell relativ frei fühlen. Denn die meisten wollen ja ohnehin etwas Produktives und ggf. auch Bezahltes tun, wenn sie älter sind.
Parameter sind dann:
Beispiel:
Jemand möchte ab 50 Jahren bis zu seinem Lebensende über 3000 Euro netto Kaufkraft pro Monat verfügen, Mindestlohn ist z.B. 1500 Euro pro Monat (keine Ahnung, ob das stimmt, die werden als immer erreichbar zwischen 50 und 67 eingeplant), Differenz bis zur Rente (17 Jahre) sind also 1500 Euro, die man durch eine Entnahmestrategie selbst beisteuern muss. 40 Rentenpunkte (Beispiel) wurden bis zum Alter von 50 erreicht.
Wie hoch ist der Kapitalbedarf mit 50 Jahren, um das Ziel vom 3000 Euro Kaufkraft in der Übergangszeit bis 67 und nach Renteneintritt bis zum Lebensende zu realisieren?
Das ist natürlich eine sehr spannende Frage, und obwohl wir hier nur von einer einfachen Rente + ETF-Depot sprechen, bereits ein recht komplexes Problem. Ich habe dafür folgende analytische Lösung gefunden:
D = Depotwert, s = sichere Entnahmerate, A = Budget / Jahr, R = Barwert der Rente
In deinem Beispiel ist D gesucht, s setze ich aufgrund des Alters und eines angenommenen Planungshorizontes von 100 Jahren (= 50 Jahre Entnahme) auf 3%, A sind 12 * 3.000 = 36.000, Barwert der Rente ca. 150.000 (ca. 16k Rente über 50 Jahre mit 7% verbarwertet).
Dann ist D = (A – S*R)/S = (36.000 – 0,03 * 150.000) / 0,03 = 1.050.000
Hier sind noch keine Steuern berücksichtigt. Für ein wirklich belastbares Ergebnis würde ich letztendlich auch immer eine Simulation durchführen (Stichwort Sequence of Return Risk), aber für eine gute Schätzung kann man so vorgehen.
Hallo Georg, klingt ernüchternd. Sind da auch die 1500 Euro berücksichtigt, die zwischen 50 und 67 noch verdient werden jeden Monat (siehe oben) und die sich daraus ergebenden Rentenpünktchen, die noch zu den bis 50 erworbenen 40 Rentenpunkten hinzukommen? Ich habe in meiner Pi-mal-Daumen-Rechnung nur einen Kapitalbedarf von ca. 700k mit 50 berechnet…
Sorry, die hab ich tatsächlich unterschlagen. Und vielleicht sind 3% doch etwas konservativ und man sollte als Basisrate besser 3,5% nehmen? Auf der anderen Seite vielleicht doch ok, da keine Steuern berücksichtigt sind? Wie hast du deine 700k ermittelt?
Meine einfache Rechnung wird dir nicht gefallen (haha):
Ich habe in den Jahren zwischen 50 und 67 (17 Jahre) einen Kapitalbedarf von 1500 Euro pro Monat angesetzt ( da der Rest über den Mindestlohnjob kommt, das stimmt nicht ganz wegen Steuern, aber gut), also 18.000 Euro pro Jahr und habe eine Inflation von 2% p.a. angenommen. Um also die ersten 17 Jahre zu überwinden, brauche ich mit 50 ca. 360k laut Zinsen berechnen (unverzinst zur Entnahme, um es einfacher zu halten). Und dann habe ich mir überlegt, dass ich parallel weitere 340k in der Welt AG für die 17 Jahre bis zum Renteneintritt arbeiten lasse und eine Verzinsung von 5% angenommen. Daraus werden nach Abzug aller Steuern dann 633.000 Euro, die ich zusätzlich zu meiner gesetzlichen Rente dann mit 67 habe. Die gesetzliche Rente sollte dann bei inflationsbereinigten 1600 Euro liegen bei dann knapp 50 Rentenpunkten (auch das nur gerundet und geschätzt). Die 633.000 Euro kann ich dann zwischen 67 und 102 mit Entnahme von weiteren 1500 Euro pro Monat verbrauchen, wobei ich hier keine Inflationsbereinigung aber dafür ich keine Zinsen berücksichtigt habe.
Inzwischen glaube ich, dass der Kapitalbedarf für das Gesamtprojekt eher weniger als 700k mit 50 Jahren sein müsste, aber ich kann es nicht berechnen, da mir die mathematischen Mittel fehlen. Insbesondere sollte man das Geld ja nicht über Jahrzehnte unverzinst liegen lassen (weder den Teil zwischen 50 und 67) noch den Teil ab 67.
Danke für deinen guten Blog. Gibt viele Antegungen.
Sorry wegen der Rechtschreibfehler…du wirst es trotzdem verstehen. 🙂
Gerade noch mal gerechnet: deine 17 x 18k pro Jahr Mindestlohn / „geht-immer-Gehalt“ bewerte ich in der Kalkulation mit einem Barwert (@ 7%) von ca. 170k. In Summe mit der Rente hätten wir dann 320k Barwert. Wenn wir dann auch noch die sichere Entnahmerate auf 3,5% anheben komme ich auf 708.000 Euro benötigtem Depotwert. Bei Anwendung der 4%-Regel wären es sogar nur noch 580.000 Euro.
Die Formel gefällt mir, danke für die Anregung. Ich denke diese Erkenntnis wäre auch mal einen Artikel wert…das war übrigens auch nicht das erste Mal, dass der Austausch mit Dir interessante Ideen hervorgebracht hat 🙂
Danke für die Blumen! 🙂
Das Szenario – also, sich mit einem Mindestlohnjob (falls der gute Job wegfällt) oder einer privaten BUV (bei Berufsunfähigkeit) ab 50 oder 55 (ich denke, ab 55 braucht man dann noch deutlich(!) weniger Kapital) durchschlagen zu „müssen“ bzw, ergänzt um einen durch dich berechneten Kapitalstock „zu dürfen“ ist extrem praxisrelevant.
Danke für die ganzen Artikel. Deine Community freut sich. 🙂
Dass man sein Gehalt bis 67 nicht verstetigen sollte halte ich auch für vernünftig. Falls vorher was dazwischen kommt, geht dies ab einen gewissen Alter fast immer mit Gehaltseinbussen einher. Insbesondere Gutverdiener sind hier gefährdet.
Sehe ich das richtig, dass in der Excel „Planungshorizont (Jahre)“ „Planungshorizont (Alter)“ ist? Hab ein bisschen mit den Zahlen rumgespielt
Was ist „Euro Rente je Monat & Punkt“? Im Download sind da 1500 EUR eingetragen. Ist das der Rentenpunktwert? Die voreingestellten 1500 EUR haben mit ziemlich auf den Holzweg geführt. Sind ja eher so 35 EUR
Hi Jens, ich habs mir gerade angesehen. Man findet das Excel so vor, wie es der Vorgänger zurückgelassen hat. Hier waren offensichtlich unsinnige Parameter eingetragen. Alle blauen Felder kann man ändern, der Planungshorizont ist das avisierte Alter bis zu dem Entnahmen erfolgen sollen.
Hallo,
erstmal vielen Dank für die wirklich nützlichen Informationen. Für die Grafik „individuelle Entnahmerate nach Alter und Rentenpunkte“: Könntest du nochmal mit einfachen Worten den unterschied zwischen den weißen und roten Feldern (die über CAP) erklären. Sorry, bin nicht vom Fach.