Glidepath – die Entnahmestrategie für die Niedrigzinsphase

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In den letzten Monaten habe ich mir viele Gedanken gemacht, wie eine dem aktuellen Zinsniveau angemessene Entnahmestrategie aussehen könnte. Bezüglich der optimalen Asset Allokation während der Entnahmephase führen historische Simulationen immer wieder zu dem Ergebnis, dass ein Mix aus Anleihen und Aktien optimal ist. Der US-Blogger Karsten Jeske von earlyretriementnow.com, aus meiner Sicht die internationale Ikone schlechthin auf dem Gebiet der Entnahmestrategien, empfiehlt während der Entnahmephase beispielsweise einen Mix von 60% Aktien und 40% Staatsanleihen. Der Vorteil dieser Kombination liegt insbesondere darin, dass Staatsanleihen und Aktien sich typischerweise antizyklisch verhalten: fallen die Aktienmärkte, dann fliehen viele Anleger in sichere Staatsanleihen („flight to quality“). Zusätzlich werden die Anleihepreise noch von (erwarteten) flankierenden Maßnahmen der Notenbanken weiter in die Höhe getrieben.

So war es zumindest bisher. Jedoch enthält das Zahlenmaterial, auf denen die historischen Simulationen bezüglich Anleihen basieren, keine Phase mit negativen Zinsen. Es besteht die Gefahr, dass die Marktzinsen und die Preise von Staatsanleihen sich aufgrund des aktuell sehr niedrigen Zinsniveaus in Krisenzeiten nicht mehr so verhalten, wie wir es in der Vergangenheit beobachtet haben. Das Diversifikationspotenzial ist im aktuellen Marktumfeld deutlich reduziert. Aktuelles Beispiel: Corona Krise. Als Anfang März der Crash am Aktienmarkt begann, sind die Preise von 2- und 10-jährigen deutschen Staatsanleihen ebenfalls deutlich gefallen, statt wie in derartigen Situationen sonst üblich gestiegen.

Seitdem die amerikanische Notenbank im März den Leitzins auf null gesenkt hat, ist das Problem der niedrigen Zinsen auch auf der anderen Seite des Atlantiks etwas prominenter geworden. Ich habe daher Karsten von earlyretirementnow.com gefragt, wie er mit dieser Situation umgehen würde. Er hat mir daraufhin u.a. geraten es auch einmal mit einem „Cash-Glidepath“ zu probieren. An dieser Stelle noch mal vielen Dank für den Tipp!

In den vergangenen Tagen habe ich mich intensiv mit diesem Thema befasst, und diese Strategie von diversen Seiten beleuchtet. Die Ergebnisse sind äußerst interessant, so dass ich ernsthaft überlege selbst auch von dieser Idee Gebrauch zu machen. In dem aktuellen Beitrag beschreibe ich zunächst kurz was ein „Cash-Glidepath“ konkret ist, anschließend schauen wir uns dann an, welche Auswirkungen diese Strategie auf die sichere Entnahmerate haben kann!

Was bitte ist ein „Cash-Glidepath“?!

Den Begriff Glidepath können wir im Deutschen wörtlich nehmen: Rutschbahn. Sinngemäß steht dahinter üblicherweise die anfängliche Kombination von 2 Asset-Klassen (z.B. Aktien und Bargeld / Cash), wobei der relative Anteil der konservativen Assetklasse (Cash) am Gesamtportfolio im Zeitablauf immer geringer wird, bis dieser letztendlich vollständig abgebaut ist. Man könnte beispielsweise mit einer 60%/40%- Aktien/Cash-Aufteilung beginnen, und anschließend den Cash-Anteil sukzessive reduzieren, z.B. um 1%-Punkt pro Monat. In diesem Falle wäre die Aktienquote nach 40 Monaten wieder bei 100%. Und zwar unabhängig davon wie sich der Aktienmarkt in der Zwischenzeit verhält.

Im Rahmen der historischen Simulation ergibt sich die Rendite für das gesamte Portfolio auf Basis der Gewichte und individuellen Renditen der beiden Asset-Klassen. Für den Cash-Anteil habe ich eine nominale Verzinsung von 0% unterstellt. Aus realer Sicht entspricht die Cash-Rendite somit der Inflationsrate, nur mit negativem Vorzeichen. Die Simulation basiert dabei auf der tatsächlichen historischen Preisentwicklung, so dass die implizite Korrelation zwischen Aktienmarkt und Preisniveau berücksichtigt ist. Im Detail wurden die monatlichen Preise des S&P 500 TR Index und die US-Inflation von 1900 – 2020 verwendet.

Ein Glidepath bietet unendlich viele Möglichkeiten

Bei der Glidepath-Strategie gibt es streng genommen unendlich viele Möglichkeiten was den Verlauf des Glidepath betrifft. Bei der Suche nach der optimalen Ausgestaltung orientiert man sich üblicherweise an den Ergebnissen der historischen Simulation. Das bedeutet, man probiert einfach diverse Möglichkeiten aus und entscheidet sich dann für die mit dem besten Resultat, d.h. der maximalen sicheren Entnahmerate. Bezogen auf den S&P 500 und Cash mit einer realen Rendite in Abhängigkeit von der USA Inflation, habe ich für die Variante „1% Reduktion Cash-Anteil pro Monat“ und die drei Start-Verteilungen Aktien/Cash 50/50, 60/40 und 70/30 die sichere Entnahmerate für Laufzeiten von 15-60 Jahren berechnet. Dabei stellte sich eine Start-Allokation von 60/40 als optimal heraus. Im zweiten Schritt habe ich dann für die 60/40 Variante zusätzlich getestet, ob das Ergebnis durch einen längerer Glidepath weiter verbessert werden kann. Konkret habe ich die Variante 0,5%-Punkte Reduktion des Cash-Anteils pro Monat, also 80 Monate Laufzeit, berechnet, und anschließend alles mit dem Szenario „100% Aktienquote“ verglichen. Die folgende Grafik zeigt die Ergebnisse:

Ein Glidepath scheint in jedem Fall einen signifikant positiven Effekt auf die sichere Entnahmerate zu haben! Mit einer 60/40 Start-Allokation sind beinahe 3,5% möglich, der Aufschlag gegenüber einer 100% Aktienquote liegt im Schnitt bei rund 1%. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die konkrete Ausgestaltung des Glidepath einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis hat. Eine 70/30 Aufteilung schneidet beispielsweise signifikant schlechter ab als die übrigen 3 hier getesteten Varianten.

Diesen Sachverhalt sehe ich persönlich kritisch, denn wie oben bereits erwähnt gibt es viele Ausgestaltungsmöglichkeiten, es besteht die Gefahr eines sog. „Overfittings“. D.h. man findet durch Auspropieren die zum Datenmaterial passende optimale Variante und verallgemeinert anschließend die Ergebnisse. Dass diese jedoch keine Allgemeingültigkeit besitzen, zeigt die folgende Grafik. Sie stellt die Ergebnisse der auch schon zuvor durchgeführten historischen Simulationen dar, diesmal jedoch mit den Daten von 1975-2020. Legt man diese Daten zugrunde, dann ist eine 60/40 Allokation nicht mehr optimal.

Stattdessen ist es mit der hier gewählten Datenbasis vorteilhafter mit einer Aktienquote von nur 30% zu starten, und diese dann über einen Zeitraum von 70 Monaten / ca. 6 Jahren in 1%-Schritten wieder auf 100% hochzufahren.

Wieso sind mit der Glidepath-Strategie trotz Minuszins 3,5% machbar?

Auch wenn wir gerade gesehen haben, dass die Wirkung eines Glidepath von seiner Ausgestaltung abhängt, steht eine Sache fest: das Resultat ist in jedem Fall immer besser als das bei einer 100%igen Aktienquote! Grund genug sich einmal genauer mit der Mechanik des Glidepath zu befassen. Wieso kann es vorteilhaft sein zum Start der Entnahmephase einen Teil seines Vermögens bei Nullzinsen von der Inflation entwerten zu lassen? Der Grund ist mal wieder das Sequence of Return Risk. Immer wenn es zu Beginn der Entnahmephase an den Börsen kracht, ist die mögliche Entnahmerate besonders gering. Und in genau diesen Szenarien zahlt es sich aus zuvor einen Teil der Ersparnisse in Cash umgeschichtet zu haben. Denn dieser Teil bleibt nicht nur vom Kurssturz verschont, sondern wird im Anschluss auch noch zu günstigen Preisen in den Aktienmarkt schrittweise reinvestiert. Dies ist die große Stärke des Glidepath!

Ohne Crash, bei weiter steigenden Kursen, wirkt ein Glidepath nachteilig. Denn hier wäre es rückblickend besser weiterhin voll investiert gewesen zu sein. Das gilt historisch betrachtet sogar für ca. 80% der Fälle. In 80% der Fälle wäre es also besser gewesen von Anfang an mit einer 100% Aktienquote zu arbeiten. Hinterher ist man eben immer schlauer. Aber uns geht es um die Risikoseite aus der vorab-Perspektive. Und hier leistet ein Glidepath auf Kosten eines reduzierten Upsides (welches im Rahmen einer Entnahmestrategie praktisch ohnehin nicht nutzbar ist) einen signifikant positiven Beitrag. Die folgende Tabelle erlaubt einen genauen Blick auf die Zahlen, die Analyse basiert auf einem 60/40 Glidepath mit 1%-Schritten pro Monat. Der zugrundeliegende Aktienindex ist wieder der S&P 500 TR von 1900 – 2020.

Die rechte Spalte der Tabelle zeigt in wie vielen Fällen je Quantils-Bereich es besser gewesen wäre den oben beschrieben Glidepath zu nutzen, anstatt auf ein 100% Aktien-Portfolio zu setzen. Man erkennt deutlich, dass die Glidepath-Strategie insbesondere bei den niedrigen Entnahmeraten einen Vorteil bietet. Return-Pfade, die beispielsweise bei einem 100% Aktien-Portfolio Crash-bedingt nur eine Entnahmerate von 2,6% – 3,65% (entspricht 0% – 5% Quantil) erlauben, können mit einem Glidepath in 68,6% der Fälle besser ausgebeutet werden. Während für den 60-jährigen Entnahmezeitraum die niedrigste gemessene Entnahmerate ohne Glidepath bei 2,6% liegt (Weltwirtschaftskrise in 1929), liegt für den Zeitraum 1900-2020 das Minimum mit Glidepath bei 3,41% (siehe Chart oben). Dagegen ist es bei vorteilhaften Return-Pfaden (hohen Quantilswerten), die hohe Entnahmeraten erlauben, i.d.R. niemals empfehlenswert mit einem Glidepath in die Entnahmephase zu starten. Hierbei handelt es sich im Rahmen der Simulation oft um historische Return-Pfade bei denen die Entnahme am Tiefpunkt nach dem Crash gestartet wird. Im Falle niedriger Aktienmarktbewertungen empfiehlt es sich daher auf einen Glidepath zu verzichten.

Tausche Downside Risk gegen Upside Potential

Womit wir mal wieder bei Thema Aktienmarktbewertung angekommen wären. Die folgende Grafik erlaubt einen Vergleich beider Strategien, d.h. 100% Aktien vs 60/40 Glidepath. Die blauen Punkte repräsentieren eine Entnahmestrategie ohne Glidepath, die orangen eine mit Glidepath. Auf der waagerechten x-Achse ist die Marktbewertung ausgedrückt durch das CAPE Ratio zu Beginn der Entnahmephase abgetragen. Die senkrechte y-Achse zeigt die dementsprechende historisch beobachtete Entnahmerate.

Der deutliche Zusammenhang zwischen sicherer Entnahmerate und Marktbewertung ist in beiden Fällen gut zu erkennen. Wenn man genauer hinsieht erkennt man, dass bei geringer Marktbewertung die blauen Punkte eher oberhalb der orangen Punktewolke liegen, eine Strategie ohne Glidepath hier also tendenziell bessere Ergebnisse liefert. Bei hoher Marktbewertung ist es dagegen genau umgekehrt, es liegen einige der blauen Punkte unterhalb der orangen Wolke. Die historisch minimale Entnahmerate bei monatlicher Entnahme i.H.v. 2,6% (Weltwirtschaftskrise in 1929) ist zur Orientierung besonders hervorgehoben. Man erkennt anhand der Grafik sehr gut, wie Downside gegen Upside getauscht wird. Die Grafik wird auch von der Statistik bestätigt, die Standardabweichung der sicheren Entnahmerate beträgt bei einem 100% Aktienportfolio 2,24%, mit Glidepath dagegen nur noch 1,84%. Der bunte Strauß an Möglichkeiten fällt hier deutlich kleiner aus, die Punktewolke der orangen beobachteten Entnahmeraten wirkt optisch dichter.

3,5% gehen mit einem Glidepath immer

Darüber hinaus ist mir noch aufgefallen, dass die minimale Entahmerate für den 60-jährigen Zeitraum bei einem CAPE-Ratio höher als 15 ziemlich konstant bei ca. 3,41% verläuft. Verkürzt sich der Entnahmezeitraum auf 50 Jahre, was in Deutschland schon durchaus ambitioniert ist, dann liegt die konstante, sichere Entnahmerate für CAPE-Werte über 15 bei 3,5%. Da CAPE Werte oberhalb von 15 in der heutigen Zeit eher die Normalität sind, kann man sich einfach die 3,5% merken. Eine Glidepath-Strategie hätte in den letzten 120 Jahren eine Entnahme von mindestens 3,5% ermöglicht, und zwar relativ unabhängig von der aktuellen Marktbewertung.

Fazit

In diesem Beitrag habe ich für unseren Haushalt eine sichere Entnahmerate von 3,14% ermittelt. Mit der Glidepath-Strategie kann ich diese trotz eines aktuellen CAPE-Niveaus von ca. 25 auf 3,5% steigern. Oder anders ausgedrückt, der mögliche Entnahmebetrag steigt um 11,5%. Das ist schon eine ordentliche Hausnummer. Demgegenüber stehen erhöhte Transaktionskosten durch regelmäßige Anpassung des Cash-Anteils im Gesamtportfolio sowie Renditeschäden durch eine vorzeitige Realisierung von Gewinnen. Denn die 40% Cash für den Glidepath würde ich kurz vor Start der Entnahmephase durch den Verkauf von Aktien generieren.

Damit die steuerliche Belastung bei diesem Manöver möglichst gering ausfällt, empfiehlt es sich regelmäßig den ETF (aber nicht den Index) zu wechseln oder alternativ Unterdepots zu eröffnen. Weil bei Verkauf von Anteilen im Rahmen der Besteuerung das FiFo Prinzip gilt, d.h. die ältesten Anteile werden zuerst verkauft und besteuert. Und da diese i.d.R. die höchsten unrealisierten Gewinne bergen, möchte man genau diese Anteile im Laufe der Entnahmephase lieber möglichst spät veräußern. Deshalb ist es wichtig, diese Anteile vom Rest des Portfolios zu separieren, z.B. indem man alle 2 Jahre ein neues Unterdepot eröffnet und ab diesem Moment neue ETFs nur noch für das neue Unterdepot kauft. So hat man am Ede deutlich mehr Gestaltungsspielraum was die Steuerlast bei der Veräußerung von Anteilen betrifft, z.B. wenn es darum geht den Cash-Anteil für eine Glidepath-Strategie möglichst substanzschonend umzusetzen.

Wer an dieser Stelle noch mehr über das Thema Glidepath erfahren möchte, dem empfehle ich unbedingt noch einen Blick in Karsten’s Blog zu werfen, z.B. hier, hier oder hier.


Beitragsbild: Free-Photos, pixabay.com

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Matthias
Matthias
3 Jahre zuvor

Hallo Georg, wenn du in den ersten 40 Monaten der Entnahmephase jeweils 1% vom Cashanteil investierst und gleichzeitig eine Entnahme auf Monatsbasis machst, z.B. in Höhe von 0,3%, dann bedeutet das doch nichts anderes als dass du in den ersten 40 Monaten die 0,3% vom Cashanteil entnimmst und parallel jeden Monat 0,7% investierst, oder? Und das wiederum wäre ja wieder eine Cashpuffer-Investitionsstrategie, nur dass du diesmal nicht erst nach einem Crash (>20%) den Cashanteil investierst, sondern sofort in den ersten 40 Monaten. Also wäre es doch sinnvoll genau diese beiden Strategien gegenüberzustellen, Und wenn man das macht, stellt man fest, dass Investition nach Crash deutlich besser abschneidet, was die mögliche Entnahmequote angeht, oder? Wo liegt denn der Vorteil dieser hier vorgestellten Strategie. Danke! Matthias

Matthias
Matthias
Reply to  Georg
3 Jahre zuvor

„Mir persönlich gefällt dass wir uns unabhängig von der Perspektive / Entnahmestrategie grob immer in der Bandbreite 3%-4% bewegen.“

Das gefällt mir auch gut. Und ich bin auch der Meinung, dass man – insbesondere wenn man gerne etwas vererbt – nicht unbedingt den Höchstsatz entnehmen muss. Dann lieber „sehr sicher“ entnehmen, z.B. 3%, und mit der großen Chance dass trotz Entnahme weiteres Kapitalwachstum möglich ist über Jahrzehnte.

Timo
Timo
Reply to  Matthias
3 Jahre zuvor

Hallo Matthias,

danke für deine „Übersetzung“ der Glidepath Strategie (0,3% entnehmen, 0,7% investieren). Ich hatte mich beim Lesen gefragt, wie genau ich das umzusetzen habe.

Im Grunde deckt sich das doch auch wieder mit dem Cash-Zelt, das vor einiger Zeit thematisiert wurde, oder? Also ich baue einen Cash Puffer auf und verbrauche den dann zuerst. Gut, im Falle des Glidepath baue ich mein Cash-Zelt auf 0% Cash ab, das war bei dem Cash-Zelt ja anders, wenn ich das richtig erinnere.

Timo
Timo
Reply to  Georg
3 Jahre zuvor

oh, ok. Dann habe ich das Cash-Zelt „falsch“ verstanden. Ich hatte das als hochfahren des RK1 Anteils vor Entnahme beginn mit anschließendem Verbrauch auf Wunschlvl (z.B. 64:40 Stocks:Bonds) interpretiert. Also einfach nur ein kurzfristiges Polster um die ersten X Monate der Entnahme ohne „Aufbrauchen“ des Aktienanteils.

Und du hast recht, Rebalancing kommt natürlich auch noch dazu. Sollte ich mich (in einigen Jahrzehnten) für den Glidepath entscheiden, dann wohl eher mit quartalsweiser Anpassung (und mit je 3% reduzierung vom Cash Teil), da dies momentan auch mein Rebalancingintervall ist (bzw. ich passe quartalsweise meine Sparraten so an, dass die Abweichungen des letzten Quartals ausgeglichen werden), nur halt mit negativem Vorzeichen ^^

Matthias
Matthias
Reply to  Georg
3 Jahre zuvor

„bei steigenden Kursen sind ggf Umschichtung in Cash notwendig um die Ziel-Allokation zu halten.“

Während der Entnahmephase soll man bei steigenden Kursen Aktien-ETF zum Zweck des Rebalancings verkaufen, oder wie ist dieser Satz zu verstehen? Ist das eine „neue Erkenntnis“, oder steht das schon in einem deiner Artikel als Teil einer Strategie? Das verstehe ich nicht.

Grundsätzlich kann es doch nur 3 „sinnvolle“ Verwendungszwecke des Cash-Anteils in der Entnahmephase zur Reduktion des SoRR geben:

  1. Investition nach zeitlichen Vorgaben abzgl. Entnahme (Glidepath)
  2. Investition nach Marktvorgaben/Marktereignissen(Crash) abzgl. Entnahme
  3. Entnahme ohne Investition

In allen 3 Fällen ist der Cashanteil richtigerweise irgendwann weg. Wo soll man hier rebalancen? Danke!

Joerg
Joerg
3 Jahre zuvor

Vielen Dank, Georg, sehr schoene Analyse.

Ob es wohl Sinn macht, historische S&P500-Preise (die in einem Nicht-Nullzinsumfeld entstanden waren) in einer Simulation mit Nullzinsumfeld zu verwenden?
Haengen nicht risikofreier Zins und Asset-Bewertung zusammen? Gab es ueberhaupt schon Phasen mit Nullzins und hoeherer Inflation (wie in den naechsten Jahren in der westlichen Welt erwartet)? Das waere doch neu, oder? Dann waere die Cash-Komponente so viel schlimmer und so etwas waere in den historischen Daten einfach nicht enthalten?

Das hast du ja auch schoen herausgearbeitet, weil ja die optimalen Simulations-Ergebnisse je nach Zeitraum verschieden sind.

Vielleicht gibt es in einem weltweiten Nullzinsuniversum nur noch ganz kurze Crashs und die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen ist auch weniger wichtig als frueher, weil einfach alles mit Geld zugeschi* aeh -schuettet wird (MMT)?
So, wie halt der Wert der Staatsanleihen heute nicht mehr deren Risiken wiederspiegeln, Grossstadt-Immobilien-Preise heute nicht mehr deren Risiken zeigen, wird es bei Aktien auch so kommen? Also die letzten „freien“ Maerkte werden auch noch uebernommen?

Fuer eine Entnahmestrategie koennte das bedeuten: Cash-Zelt fuer die ersten Jahre reicht? Aktienmarktrendite wird ein Plateaeu erreichen und danach genauso wie die Kupons von Staatsanleihen oder die Mietrenditen stark abbroeckeln (Zombifizierung ueberall)?
D.h. man verzehrt beim Entsparen v.a. das Geld, was angespart und in einem einzelnen Prozess gestiegen war; aber man sollte mit geringeren zukuenftigen Zuwaechsen rechnen (also statt 5% Realrendite irgendwann nur noch 4%, dann 3% usw …)?

Also positiv, fuer die Investoren/Sparer, die diese singulaere Bewertungsinflation mit moeglichst viel Geld mitmachen durften/gerade mitmachen, aber alle Anfaenger mit kleinen Depots sollten weniger enthusiastisch sein?
(Genauso, wie halt Besitzer von sehr alten Zinspapieren mit hohen Kupons oder Immokaeufer, die vor 10 Jahren gekauft haben, Glueck hatten aber das so JETZT als Konzept nicht wiederholbar sein wird). Zur rechten Zeit am rechten Ort – Glueck eben.

Alternativen? Schwierig. Auf Bewertungsausweitung/Wachstum in Schwellenlaendern/noch tiefer bewerteten Regionen hoffen (CAPE-tilting)? Selber Unternehmer werden? In Private Equity investieren (auch schon zu spaet)? Geld den Market-Wizards geben (Trendfolge-Hedgefonds) – nee, nee, das macht schon der Norbert ;-)?

Bescheidenheit ist eine Zier?

Pers. halte ich eine staerkere Aktienpreisbewertungsausdehnung in den naechsten paar Jahren fuer wahrscheinlich, also wir naehern uns dem Plateau erst noch. Ob dies gleichermassen fuer EURO- oder Schwellenlaender-Aktien gilt, bin ich skeptisch. In EURO-Europa scheinen zZ alle Weichen fuer kreative Erneuerung, Innovation & Fortschritt falsch gestellt zu werden? in den Schwellenlaendern gibt’s kaum Hoffnung, dass Gewinne der Unternehmen auch zu den Anteilseignern fliessen „duerfen“; sozusagen ein C- oder D-Lage Investment?
Also doch Market-Cap-Depot-Strukturierung, so weh das „teure“ Amerika auch tut?

Spass, ich bin ein kleiner, dummer Mensch und kenne die Zukunft auch nicht 🙂

LG Joerg

Anton
Anton
3 Jahre zuvor

Hallo Georg,

es ist wieder unbestritten ein lesenswerter Artikel.

Vor kurzer Zeit wurde aber ein Artikel von Dir verfasst woraus kam, dass eine Entnahamestrategie basierend auf 60% Aktien und 40% Gold als optimal in Phase der negativen Zinsen betrachtet werden kann. Diese Strategie kann laut Deinen Berechnungen sogar auf Dauer 5,5% Entnahmen bescheren.

Es kann alles richtig sein, aber ich vermisse bei Vielfalt Deiner Artikel letztendlich die empfohlene Entnahmestrategie. Es verstehe schon, dass es verschiedene Lösungen gibt, die Du in Deinen Artikel so gut darstellst.

Trotzdem kann es doch nicht stimmen, dass alle Entnahamestrategien  gleich gut sind.

Also, wie lautet kurz gefasst Deine generelle Empfehlung zum Entnahmeplan?

Ich persönlich denke, dass in einer Phase (die m.E. keine Phase mehr ist) der sehr niedrigen oder negativen Zinsen die folgende Aufstellung bittet die größten Vorteile bei Entnahmen: 50-60% Aktien, 30-40% Gold, 10-20% Cash.

Es wäre interessant Deine begründete Meinung dazu hören.

L.G. Anton

Joerg
Joerg
Reply to  Anton
3 Jahre zuvor

@Anton,
es kann keine pauschale Antwort nach einer optimalen Entnahmestrategie geben, (einerseits weil keiner die Zukunft kennt), aber v.a. gibt’s auch sehr unterschiedliche Lebenskonzepte/Entsparbeduerfnisse!
Je nach dem gibt es auch andere zugeschnittene Entnahmestrategien. Eine Rolle koennte spielen:

Wann Entsparbeginn, fuer wie lange?
– mit 40 (ohne wesentl., angesparte, gesetzl. Rente oder Pensionsansprueche, oder bAV)
– mit 50
– mit 60 (erhebl. Ansprueche erworben)

Verpflichtungen?
– Kinder? Wann aus dem Haus/Ausbildung erledigt?
– zu unterstuetzende Verwandte?

Wohnen?
– mietfrei (kann SoRR stark mindern) oder
– zur Miete (aus Kapitalertraegen bestreiten)?

Steuerliche Gegebenheiten?
– andere steuerlich wirksame Einkuenfte vorhanden (Vermietung/Verpachtung? Pensionen? bAV-Zahlungen?)
– oder nur kl. gesetzl. Rente?

Humankapital (back-to-work-worst-case):
– welcher Beruf (sicher/unsicher eg Lebensmittelindustrie, Automobile, etc)?
– welcher Arbeitgeber (Beamter, oeff.Di., Konzern, etc)?
– oder Selbstaendiger (Informatiker, Imbissbude oder Apotheker)?

Altersvorsorge:
– gesetztl. Rente?
– Beamten-Pension?
– berufstaend. Versorgung?
– berufl. AV (AG-finanziert)

Netzwerk:
– reiche Kinder (die dir helfen wuerden), reiche Eltern, Onkel/Tanten die dir was vererben?

usw./was fehlt noch?

Wenn bei dir die Entsparphase in Sicht kommt (ich vermute, bei dir dauert es aber noch lange?), koenntest du ja die Parameter fuer dich hier nennen, dann bekommst du darauf zugeschnittene Antworten?! Ohne naehere Angaben macht es mE keinen Sinn …

LG Joerg

Thorsten
2 Jahre zuvor

Hallo Georg,

ich lese mit großem Interesse Deine Analysen zur Entnahmestrategie – eine super Ergänzung zu den etwas allgemeineren Überblicken von Olivar (Frugalisten) und besser auf die deutsche Realität passend als etliche Abhandlungen aus den USA – Danke!

Bei den verschiedenen Strategien ist mir jetzt eine Überlegung gekommen:

Letztlich wollen wir ja möglichst das SoRR ausschließen, also „einfach“ ein paar Jahren ohne Entnahme aus der Portfolio-Substanz „überbrücken“ können. Insbesondere, wenn diese Jahre am Anfang der Entnahme liegen.

Wäre es dann nicht eine Idee, ausgehend vom persönlichen Bedarf pro Monat einfach einmal zu berechnen, was historisch die längsten Draw-Downs waren. Vielleicht wie wahrscheinlich diese sind…und von der Glockenkurve zu sagen was man abdecken will.

Dann baue ich einfach ein paar Jahre vor dem Early Retirement eine Position an Cash auf, die „maximale Monate Draw-Down“ * „persönlicher Bedarf pro Monat“ beträgt. Und lebe die ersten 2 (?) Jahre einfach davon.

Danach dürfte das SoRR Risiko ja deutlich niedriger sein, denn das ist ja wohl besonders schlimm, wenn es ganz früh auftritt. Und ich habe mein Cash auf ein erträgliches Maß verbraucht.

Und das ganz ohne „Umschichten“ vor dem Ausstieg bzw ohne Re-Investment von einigem Cash in Aktien am Anfang.

Oder habe ich da einen Denkfehler bzw irgendwas nicht ganz bedacht?

Viele Grüße
Thorsten

Thorsten
Reply to  Georg
2 Jahre zuvor

Hi Georg,

das mit dem „Booster“ durch Investitionen im Aufschwung ist ein guter Punkt. Hier plane ich aber eh schon „konservativ“ dh so, dass ich keinen Booster mehr brauche…die Entnahmestrategie plane ich nur „nach unten“ abzusichern.

Du bietest hier ja eine ganze Menge an Ansätzen, die jeder für sich nochmal evaluieren und einen geeigneten Ansatz zusammenstellen sollte. Ich versuche mal meine Idee darzustellen – und vielleicht gibts ja andere die auch mal darstellen möchten welche Vorgehensweise Sie planen!?

Habe gestern nochmal etwas mit den Zahlen gespielt und mein (aktueller) Zwischenstand ist in etwa:

  • Ich gehe davon aus, das Dividenden auch in Krisen erstmal weiter gezahlt werden – vielleicht etwas weniger
  • Ich nutze eine Festgeldleiter mit 50k Euro – woraus jedes Jahr für 5 Jahre lang je 10k Euro zur Verfügung stehen
  • Ich gehe mit einem größeren Cash-Polster (50k?) ins Early Retirement
  • Damit stehen mir locker 3k Euro pro Monat für 3+ Jahre zur Verfügung, was für meine Ausgaben ausreicht
  • Wenn es knapp wird, kann ich die monatlichen Ausgaben noch senken und so die Durststrecke auch für 4+ Jahre überstehen
  • Wenn alles schief geht, dann stoppe ich die Entnahmen und gehe für (kleineres) Geld einfach nochmal 1 Jahr arbeiten – irgendwas gibts immer

Viele Grüße
Thorsten

Karl
Karl
1 Jahr zuvor

Hallo Georg,

ich lese mich durch deinen Blog durch und auch durch earlyretirementnow und vergleiche die Daten mit der Kursanzeige von https://www.macrotrends.net/2324/sp-500-historical-chart-data

Diese Seite zeigt den S&P 500 von 1/1928 bis 7/2022, also für 94,5 Jahre.

Dabei sind mir ein paar Sachen aufgefallen:

1) Rechnet man ohne Inflation die jährliche Rendite für diesen Zeitraum aus, komme ich auf 5,9 % p.a. Mit Inflationsausgleich auf 2,8 %. Dazu kommt noch die Dividende. Ich hätte viel mehr als 2,8 % erwartet. Liegt vielleicht daran, dass 1/1928 die Kurse schon relativ hoch waren.

2) Inflationsbereinigt gab es in diesem Zeitraum 3 lange Phasen, in denen man nur den Inflationsausgleich und Dividende bekommen hätte:

9/29 bis 9/58 (29 Jahre)

9/68 bis 10/91 (23 Jahre 1 Monat)

8/2000 bis 5/2016 (15 Jahre 9 Monate)

Zumindest die Seitwärtsphasen werden immer kürzer – dürfte aber Zufall sein.

3) Du startest mit 1975. Das verfälscht das Ergebnis, weil Anfang 1975 der Tiefpunkt eines Bärenmarktes war – der S&P 500 endete 1974 mit 68,56 Punkten, 42 % unter dem Stand von Ende 1972 mit 118,05 Punkten. Das Ergebnis wäre aussagekräftiger, wenn du irgendwo in der Mitte zwischen Hoch- und Tiefpunkt angefangen hättest.

4) Zum CAPE gibt es bei earlyretirementnow ein Streudiagramm von 2016, das den Zusammenhang zwischen CAPE und der Realrendite der nächsten 10 Jahre zeigt. Das dürftest du kennen. Aus diesem kann man z.B. ablesen, dass nach einem CAPE von 38 in den nächsten 10 Jahren keine positive Realrendite mehr möglich war. Ein CAPE von über 30 gibt es allerdings erst seit Sommer 1997 (mit Ausnahme von 1929 mit einem CAPE von 32) und tritt seitdem gehäuft auf – daher könnte die Aussagekraft des Streudiagramms vielleicht täuschen und ein höheres CAPE wird Normalität. Wie siehst du das? Wir sind derzeit ja wieder in einer Phase mit CAPE über 38 – könnte die nächsten 10 Jahre holprig werden.

Viele Grüße
Karl

Karl
Karl
Reply to  Georg
1 Jahr zuvor

Hi Georg,
ich habe mich beim CAPE auf den S&P 500 bezogen – der gibt ja sowieso den Ton an (https://www.multpl.com/shiller-pe/table/by-month) und der war beim Jahreswechsel fast 40. Das Streudiagramm von earlyretirementnow hat sich auch auf den S&P 500 bezogen. 

In deinem Blogbeitrag „Die 4% Regel war gestern – kommt jetzt die 5,5% Regel?“ hast du im Kommentar geschrieben, du würdest über den Zeitraum loopen – in diesem Fall wäre das Bärentief von Anfang 1975 zweimal am Start. Für die Suche nach dem Worst Case wahrscheinlich egal. Schaut man nur auf die Rendite, macht es einen Unterschied, ob man beim Bärentief Anfang 1975 oder beim vorherigen Hoch Anfang 1973 anfängt:
1975 – 07/2022 47,5 Jahre (leicht gerundet) von 68,56 auf 4130,29 Punkte -> 9,01 p.a.
1973 – 07/2022 49,5 Jahre (leicht gerundet) von 118,05 auf 4130,29 Punkte -> 7,45 p.a.

Die von mir unter 2) genannten Seitwärtsphasen fand ich etwas frustrierend, zumal die Dividende und der Inflationsausgleich noch versteuert werden müssen (jetzt – früher war das anders). Für den Anleger wird die Seitwärtsphase dadurch noch länger und wer mit 65 oder 67 in die Entnahmephase geht, erlebt das Ende der Seitwärtsphase vielleicht nicht mehr. Für seine Entnahmen reicht es trotzdem und die Erben sparen Erbschaftssteuer, wenn das Vermögen fast aufgebraucht ist – ist eigentlich ein Vorteil

LG 
Karl